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Wednesday, May 23, 2012

Tamara Bach: Was vom Sommer übrig ist

"Was machst du in den Ferien? Fährst du in den Süden? Mit deinen Eltern, mit Freunden? Hast du einen Job?" - Diese Frage und andere stellen sich die zwei Hauptfiguren in Tamara Bachs „Was vom Sommer übrig ist“. Ein bemerkenswertes Buch über Freundschaft, Erwachsenwerden und Verlorenheit.

Louise ist 17 und hat große Pläne für den Sommer: Führerschein machen, Zeitungen austragen, in einer Bäckerei arbeiten, sich um den Hund ihrer Großmutter kümmern. Der Kontakt zu den einst besten Freundinnen ist abgerissen seit dieser Geschichte mit Paul. Also bleibt viel Zeit.

Die 13-jährige Jana hingegen ist vergleichsweise planlos. Seit dem Selbstmordversuch ihres älteren Bruders Tom wird sie von ihren Eltern kaum mehr wahrgenommen. Sie fühlt sich wie Luft, wird immer unsichtbarer. Niemand bemerkt, wenn sie einmal eine Nacht lang nicht nach Hause kommt. Und weil man ihren Geburtstag vergessen hat, glauben die Eltern noch immer sie sei zwölf.

Als sich Louise und Jana das erste Mal begegnen, können sie noch nicht abschätzen, dass das der Beginn einer Freundschaft ist. Dass sie durch einige zufällige Begegnungen immer mehr erkennen, dass sie jemanden gefunden haben, mit dem sie den restlichen Sommer verbringen wollen. Gemeinsam finden sie zu einer ganz eigenen Sprache.

Wie auch in Tamara Bachs „Marsmädchen“ ist die Sprache des Buches hervorzuheben. Sie ist eingängig, ohne oberflächlich zu sein. Sie ist unbeschwert und leicht, ohne nichtssagend zu werden. Fast scheint es, als wäre es der Autorin gelungen, den Sommer in Sprache einzufangen: „Du kannst im Sommer alles sein, was du willst, kannst Fremdsprachen ausprobieren und erfinden. Der Sommer hat tausend und eine Tür. Und die stehen auf Durchzug, weil es heiß ist.“

Es ist auch eine Geschichte vom Geschichtenerzählen. Dem Leser werden zwei verschiedene Erzählperspektiven angeboten. Beide sehr subjektiv. Beide alles andere als 100%ig verlässlich. Besonders schön ist folgende Passage, die auf eine Begräbnisszene folgt:

„Und das Schlimme ist, dass es weitergeht.
Aber das Gute ist, dass es weitergeht. Und dass keine Geschichte einfach so zu Ende ist.
Dass man immer sagen kann,
und dann
und dann holt man Atem, und es geht weiter.
Denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende.“

Vieles wird in „Was vom Sommer übrig ist“ nur angedeutet, offen gelassen. Die Lücken sind vom Leser selbst zu ergänzen, laden ein zu spekulieren, geben dem Buch Raum zum Atmen. Alles in allem ist Tamara Bach auch mit diesem Titel ein sehr ansprechendes Jugendbuch gelungen, das man nur weiterempfehlen kann! (MP)

Monday, May 21, 2012

Anne-Sophie Brasme: Dich schlafen sehen

Anne-Sophie Brasmes Roman Dich schlafen sehen (im französischen Original Respire) erzählt von Abhängigkeit und Besessenheit, von Selbst- und Fremdzerstörung.

Die jugendliche Erzählerin Charlène wächst gut behütet auf, muss aber bald erkennen, dass ihr etwas fehlt, dass sie gegen eine Leere ankämpft, gegen das Gefühl, nicht zu genügen, nichts wert und überflüssig zu sein. All ihre Versuche, an ihrer Schule bekannt und beliebt zu werden, scheitern.

Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch kümmert sich die von allen begehrte Mitschülerin Sarah um Charlène, macht sie zu ihrer besten Freundin und gibt ihr damit eine Identität, einen Platz im Leben. Charlène bemerkt zu spät, dass sie immer abhängiger wird von Sarah, dass sie nur in ihrem Schatten existiert, sie ihr komplettes Leben nach ihr ausgerichtet hat und mittlerweile bereit ist, jede Demütigung und Erniedrigung über sich ergehen zu lassen.

Nach einigen gescheiterten Versuchen beschließt Charlène sich aus der schmerzhaften Abhängigkeit zu befreien. Sich endgültig von Sarah zu lösen. Für immer. Doch diese Befreiung wird ein Opfer fordern…

Dich schlafen sehen entwickelt auf seinen nicht ganz 200 Seiten einen ganz einzigartigen Sog auf die Leserin / den Leser. Obwohl von Anfang an klar ist, wo die Geschichte enden wird, bleibt das Wie spannend bis zum Schluss. Mit ihrer eindringlichen Sprache schafft es die Autorin die psychologische Abhängigkeit und die Besessenheit der Erzählerin eindrucksvoll in glaubhafte Bilder umzuwandeln. Eine ganz klare Leseempfehlung für alle Jugendlichen ab der Oberstufe! (MP)


Michael Köhlmeier: Die Nibelungen neu erzählt

In diesem Buch erzählt Michael Köhlmeier das klassische Nibelungenlied auf erfrischende Art und Weise neu.

Die Geschichte beginnt am Hof zu Worms, wo der entscheidungsschwache König Gunther versucht sein Reich gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Langfristig scheint das Überleben des Reiches nur durch eine geschickte Verheiratung von Gunthers Schwester Kriemhild gesichert werden zu können.

An dieser Stelle beginnt Köhlmeier die Geschichte von Siegfried zu erzählen, der durch ein Bad im Drachenfett [sic!] scheinbar unverwundbar wird. Siegfried wirbt in weiterer Folge um Kriemhild und muss bis zur Verheiratung mit ihr noch einige Abenteuer bestehen. Siegfrieds und Kriemhilds Glück weckt allerdings auch die Missgunst von Neidern und Intriganten. Diese planen die Ermordung von Siegfried und so nimmt die Geschichte ihren blutigen Lauf.

Meiner Meinung nach wird die Geschichte von Siegfried und Kriemhild, Gunther und Brünhild sowie dem Intriganten Hagen sehr gut erzählt, weil es Köhlmeier immer wieder schafft, die sagenhaften Geschichten in die Gegenwart zu projizieren. Besonders hervorstreichen möchte ich, dass ich während des Lesens oft das Gefühl hatte, eine Geschichte erzählt zu bekommen, und nicht sie selbst zu lesen. (TW)


Michael Köhlmeier: Die Nibelungen neu erzählt